Vorlesung · Ressourcen

03 Weiterführung: Vertragschluss und Wirksamkeitshindernisse

09. Oktober 2025

Diese Einheit führt weiter in die rechtlichen Grundlagen ein, insbesondere in den Vertragschluss und die Wirksamkeitshindernisse.

rechtliche-grundlagenbgbzivilrechtallgemeiner-teilwillenerklärungrechtsgeschäft

Vertragsschluss (§§ 145 ff. BGB)

Angebot (§ 145 BGB):

  • Empfangsbedürftige WE
  • Inhaltlich bestimmt
  • Bindungswirkung (außer ausgeschlossen)

Annahme (§§ 147-150 BGB):

  • Empfangsbedürftige WE (Ausnahme: § 151)
  • Rechtzeitig
  • Inhaltlich übereinstimmend

Annahmefristen:

  • Unter Anwesenden:
    • Sofortige Annahme notwendig
  • Unter Abwesenden:
    • Angemessen, was normal üblich ist
  • Ggf. eine eigene Festlegung bis wann angenommen werden darf

Verspätete / modifizierte Annahme

  • Eine verspätete Annahme (also nach Ablauf der Frist) gilt als neues Angebot § 150 I BGB
  • Eine modifizierung eines Angebot (Änderung des Inhalts: Beispiel Preis) wird als Ablehnung und als neues Angebot gedeutet. (§ 150 II BGB)

2.5 Wirksamkeitshindernisse

Unwirksame Schuldverhältnisse werden in der Regel im Bereicherungsrecht rückabgewickelt (§§ 812 ff. BGB).

Grundsatz bei beschränkt Geschäftsfähigen

Hier ist der Grundsatz das eine Einwilligung des gesetzlichen Vertreters erforderlich ist mit § 108 BGB zu begründen und nicht § 107 BGB.

§ 107 BGB ist eine Ausnahme von diesem Grundsatz, wenn ein lediglich rechtlich vorteilhaftes Geschäft vorliegt.

Geschäftsfähigkeit (§§ 104 ff. BGB)

-> Wiederholung aus vorheriger Einheit

Teilgeschäftsfähigkeit (§ 106 BGB)

  • Minderjährige ab 7 Jahren
  • Ermächtigung durch gesetzlichen Vertreter oder Vormundschaftsgericht

Beispiel:

  • selbständiger Betrieb eines Erwerbsgeschäfts
    • Ermächtigt Geschäfts zu machen, weil man eine App entwickelt hat und dieses Unternehmen führt. Hier kann der Minderjährige normal in diesem Kontext Geschäfte machen.
  • Dienst oder Arbeitsverhältnis
    • Hier kann der Minderjährige auch normal in diesem Kontext Geschäfte machen.

Für diese ermächtigen Bereiche kann der gesetzliche Vertreter nicht mehr wirksam für die beschränkt Geschäftsfähigen handeln.

Formmängel (§ 125 BGB)

Im Grundsatz gilt erstmal Formfreiheit. Es gibt aber auch gesetzliche Formvorschriften. Oft unterwerfen sich die Parteien freiwillig einer Formvorschrift.

Gesetzliche Formvorschriften:

  • Schriftform (§ 126): Urkunde + eigenhändige Unterschrift
    • Eine Urkunde ist erstmal nur ein Blatt Papier
    • Es muss nicht handschriftlich sein, kann auch getippt sein
    • Unterschrift muss handschriftlich sein
  • Elektronische Form (§ 126a): Elektronische Urkunde + qualifizierte elektronische Signatur
    • wenig praktische Relevanz
  • Textform (§ 126b): Ohne eigenhändige Unterschrift
    • z.B. Word-Document, PDF mit einem Bild der Unterschrift
  • Öffentliche Beglaubigung (§ 129): Unterschrift vom Notar beglaubigt
    • lediglich Identitätskontrolle, dass die Person, die die Unterlagen vorgelegt hat auch die Person ist, die sie vorgibt zu sein.
  • Notarielle Beurkundung (§ 128): Vollständige Beurkundung
    • Der Notar beurkundet den gesamten Inhalt des Vertrages, Genehmigung und Unterschrift. Rechtsfolge: Nichtigkeit bei Formmangel (§ 125)
    • Möglichkeit der Heilung durch nachträgliche Formwahrung (§ 126 III)
    • Möglichkeit das beide Parteien vereinbaren, dass Formvorschrift entfällt, wenn gesetzlich nicht vorgeschrieben.

Mängel des Rechtsgeschäfts (Inhaltliche Schranken)

Gesetzliche Verbote (§ 134 BGB):

  • Rechtsgeschäft gegen Verbotsgesetz = nichtig
  • Bsp. Menschenhandel

Veräußerungsverbote (§ 135 BGB):

Sittenwidrigkeit (§ 138 BGB):

  • ist sittenwidrig, wenn es gegen das Anstandsgefühl aller billig denkenden und gerecht denkenden Menschen verstößt. -> Generalklausel
  • Anstandsgefühl kann sich wandeln.
  • Verstoß gegen gute Sitten = nichtig
  • Wuchertatbestand (§ 138 II)
    • Ausbeutung einer Zwangslage, Unerfahrenheit, Mangel an Urteilsvermögen
    • In einem auffälligen Missverhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung
  • Beispiel:
    • sittenwidrig:
      • Ich verkaufe dir mein Auto und du schlägt jemanden krankenhausreif, damit du das Auto bekommst.
      • Prostitution waren mal sittenwidrig, ist es aber nicht mehr.
    • Wucher:
      • Bei Zinsen, wenn 2-3 fache des Marktzinssatzes

Willensmängel (§§ 119 ff. BGB)

  • bewusste Divergenz von Wille und Erklärung
    • Scheingeschäfte: Ich verkaufe dir mein Auto für einen Euro.
  • unbewusste Divergenz von Wille und Erklärung
    • Irrtum: Ich verkaufe dir mein Auto für 10.000 Euro, obwohl ich es für 15.000 Euro verkaufen wollte.

Willensmängel führen nicht automatisch zur Nichtigkeit der Erklärung. Sofern dem Erklärenden ein Irrtum unterlaufen ist, gewährt das BGB ihm das Recht seine Erklärung anzufechten.

Die Anfechtung gehört zu den Gestaltungsrechten, mit denen man sich von vertraglichen Verpflichtungen befreien kann. Das Rechtsgeschäft ist dann von Anfang an nichtig, § 142 I BGB.

Anfechtungsgründe:

  1. Irrtumsanfechtung (§ 119):

    • Inhaltsirrtum (§ 119 I Alt. 1): "Denkfehler"
    • Erklärungsirrtum (§ 119 I Alt. 2): "Versprecher, Verschreiber"
    • Eigenschaftsirrtum (§ 119 II):
      • Nicht gemeint ist die Verkehrstauglichkeit
      • Sondern: Farbe, Material, "Alles was den Preis ausmacht"
  2. Falsche Übermittlung (§ 120)

    • Falsche Weitergabe
  3. Täuschung/Drohung (§ 123)

    • Täuschung: Vorspiegelung falscher Tatsachen
    • Drohung: Inaussichtstellen eines empfindlichen Übels
    • Beispiel: Lehrer droht mit einer schlechten Note, wenn der Schüler nicht kauft.

Anfechtungserklärung (§ 143):

  • Empfangsbedürftig
  • Gegenüber Anfechtungsgegner

Anfechtungsfristen:

  • §§ 119, 120: Unverzüglich (§ 121)
  • § 123: Ein Jahr (§ 124)

Rechtsfolge: Nichtigkeit ex tunc (§ 142 I) — Es ist von Anfang and als nichtig zu betrachten.

Schadensersatz: Vertrauensschaden (§ 122)

Bedingung und Befristung (§ 158 BGB)

Hinweis

Wurden nur sehr kurz behandelt in der Vorlesung, wahrscheinlich auch nicht relevant für die Klausur.

Bedingung: Zukünftiges, ungewisses Ereignis

  • Aufschiebend (Suspensiv)
  • Auflösend (Resolutiv)

Befristung: Zukünftiges, gewisses Ereignis

🎯 Prüfungsvorbereitung

Wichtige Prüfungsschemata

Anspruchsprüfung (Standard)

  1. Anspruch entstanden?
    • Tatbestandsvoraussetzungen prüfen
  2. Anspruch untergegangen?
    • Erfüllung, Aufrechnung, etc.
  3. Anspruch durchsetzbar?
    • Einreden, Verjährung

Vertragsschluss prüfen

  1. Angebot
    • Inhaltlich bestimmt?
    • Rechtsbindungswille?
  2. Annahme
    • Rechtzeitig?
    • Inhaltlich übereinstimmend?
  3. Wirksamkeitshindernisse?
    • Form, Geschäftsfähigkeit, etc.

Stellvertretung prüfen

  1. Zulässigkeit
  2. Eigene WE des Vertreters
  3. Im fremden Namen
  4. Mit Vertretungsmacht

🔍 Glossar wichtiger Begriffe (bis hierhin)

  • Anspruchsgrundlage: Rechtsnorm, die Tatbestand und Rechtsfolge enthält
  • Subsumtion: Einordnung des Sachverhalts unter die Norm
  • Willenserklärung: Äußerung eines rechtsgeschäftlichen Willens
  • Verfügungsmacht: Befugnis, über ein Recht zu verfügen
  • Abstraktionsprinzip: Trennung von Verpflichtungs- und Verfügungsgeschäft

Weitere Fallübungen:

Fall 11: Offerte

Einfach

Der Elektronikfachmarkt E verteilt 100.000 Prospekte, in denen 10 verschiedene Angebotsartikel à 500 € angeboten werden. Von jedem Angebotsartikel sind 50 Stück auf Lager. Die Werbeaktion ist überaus erfolgreich, so dass E nach kurzer Zeit keine Angebotsartikel mehr auf Lager hat. Nachdem E bereits ausverkauft ist, kommt K und besteht darauf einen Angebotsartikel zu kaufen.

Zu Recht?

Fall 12

Einfach

V schreibt dem K „Ich biete Ihnen meinen PKW, der Ihnen so gut gefiel, für 15.000 € zum Kauf an.“ K antwortet dem V: „Ich danke Ihnen für Ihren Brief und akzeptiere Ihren Vorschlag zum Kauf des PKW.“ Kann V von K die Zahlung von 15.000 € verlangen?

Fall 13

Einfach

Wie oben, nur K antwortet auf den Brief des V: „Ich bin mit dem Kauf einverstanden, kann aber leider nur 12.000 € zahlen.

Fall 14

Einfach

Wie oben, nur schreibt K, während der Brief des V von der Post befördert wird, an V ohne dessen Brief zu kennen: „Sie werden gemerkt haben, dass ich Gefallen an Ihrem PKW gefunden habe. Ich biete Ihnen für den PKW 15.000 €.“ ?

Fall Wiederholung: Gutachten anfertigen (12 -14 Punkte)

Einfach

(Wiederholung) Die 5-jährige M kauft bei Bäcker B eine Tüte Kekse für 1 €. Kann B von M KP-Zahlung beanspruchen?

Fall 16

Mittel

Der 18-jährige S hat in der kommenden Woche seine Führerscheinprüfung. In der Erwartung „es wird schon alles gutgehen“, schließt er bereits heute mit V einen Kaufvertrag über einen PKW zu einem Verkaufspreis von 3.600 €. S fällt wider Erwarten durch die Fahrprüfung. Daraufhin will er von seinem Kaufvertrag über den PKW zurücktreten und will seine WE anfechten. V besteht auf den geschlossenen Kaufvertrag. Hat V einen Anspruch gegen S auf Zahlung der 3.600 € aus dem Kaufvertrag?

Punkte in der Klausur

Für jeden in der Klausur aufgestellten Obersatz gibt es 2 Punkte.

Textbausteine für das Gutachten

  • Laut Sachverhalt haben ...
  • Dies setzt voraus ...
  • Fraglich ist, ob ...
  • Es ist zu prüfen, ...
  • Daraus folgt, dass ...
  • Folglich ist ...
  • Demnach ist ...
  • Zusammenfassend ist festzustellen, dass ...